Ernteprozesse optimieren – die Rechnungslegung als zentrales Kontrollinstrument für die Bewegung des Getreides vom Feld bis zum Abnehmer

Autor: Polina Koshlak, Expertin-Beraterin

Die Ernte ist eine der wichtigsten Phasen im Jahr eines Landwirtschaftsbetriebs. Der Erfolg einer ganzen Saison hängt ab von der Qualität aller Abläufe im Feld ebenso wie der Kornbehandlung und Logistik.

Das Getreide auf dem Feld ist potenzielles Geld, genutzt beispielsweise für die nächstjährige Saatkampagne und die Tilgung laufender kurzfristiger Forderungen. Dazu stellt es den Betriebsgewinn dar, die Anlageinvestitionen und ist Voraussetzung für alle weiteren Unternehmensentwicklungen. Sein Wert ist potentiell, weil die Ernte auf dem Feld zunächst weder Korn auf dem Lager, noch Geld auf dem Unternehmenskonto ist. Das Hauptziel ist es daher, das in der Ernte liegende Potential in Geldmittel umzusetzen. Dazu benötigt man eine wirksame Planung und Kontrolle.

Die zentrale Bedeutung einer geeigneten Rechnungslegung (inkl. Datenerfassung, Buchführung, Materialdisposition usw.) ist jedoch längst nicht jedem Betriebsleiter (Landwirt) bewusst: Dabei ist die das wesentliche Element für die Kontrolle aller Finanzabläufe im Unternehmen und schafft über unmittelbares Feedback jederzeit eine solide Basis für informierte Entscheidungen im Managementprozess.

Wie kann die Erfassung helfen, Ernteprozesse zu kontrollieren?

Zunächst liefert die Erfassung Informationen über laufende Prozesse und zugehörige Kosten sowie darüber, inwieweit die Soll-Werte mit den Ist-Werten übereinstimmen. So wird auf jeweilige Abweichungen hingewiesen und Material zur anschließenden Analyse gesammelt.

Zudem wird es durch die Analyse und Überwachung möglich, die Bewegung des Getreides vom Feld zum Abnehmer zu verfolgen und somit auch eventuelle Missbräuche im Betrieb aufzuklären.

Die Erfassung der Getreidebewegung beginnt bereits auf dem Feld, wobei der Buchhalter einer der ersten sein sollte, der über den Erntestart Bescheid weiß und vorbereitet ist, diese dokumentarisch und analytisch sicherzustellen.

Schritt 1. Vorbereitung der zugehörigen Primärbelege (Ladescheine, Frachtbriefe für innerbetriebliche Beförderung), die entsprechend durchnummeriert sein, Angaben der LKW-/Mähdrescherfahrer, zur geernteten Kultur enthalten und im Erfassungsbuch registriert sein sollen.

Schritt 2. Jeder LKW-/Mähdrescherfahrer muss, bevor er seine Arbeitsschicht anfängt, eine gewisse Anzahl von Ladescheinen (oder ähnlichen Dokumenten) entgegennehmen und diese Entgegennahme im Erfassungsbuch mit eigener Unterschrift bestätigen. Die Ladescheine für LKW-Fahrer müssen sich von denen für Mähdrescherfahrer unterscheiden. Dementsprechend sind sie separat durchzunummerieren und zu erfassen.

Schritt 3. Koordination der Aktivitäten zwischen Produktionsbereich und Buchhaltung, denn der Produktionsleiter muss sich darum kümmern, dass der Tagesplan dokumentarisch festgehalten und genehmigt ist. Eine Kopie dieses Plans ist der Buchhaltung vorzulegen, damit diese versteht, welche Flächen zu ernten sind und welche Ressourcen herangezogen werden sollen.

Schritt 4. Die Buchhaltung bzw. der Erfasser bestimmt auf der Grundlage der vom Produktionsleiter vorgelegten Angaben die Anzahl der Ladescheine, die LKW- und Mähdrescherfahrer pro Tag bekommen sollen, kann im System Fahrtenblätter für Mähdrescherfahrer mit Angabe der Feld- und Kulturnummern im Voraus vorbereiten, diese ausdrucken und den Verantwortlichen aushändigen.

Schritt 5. Während der Ernte tauschen der LKW- und Mähdrescherfahrer die unterschriebenen Ladescheine gegenseitig aus, wobei jeder dieser Ladescheine zur Bestätigung der Verladung eines Korntanks (bei Bedarf – eines Teils davon, dies ist zusätzlich in beiden Scheinen zu vermerken) und somit zur Übertragung der Verantwortung vom Mähdrescherfahrer an den LKW-Fahrer dient. Es muss sichergestellt werden, dass beide Parteien in den Ladescheinen die Uhrzeit der Getreideverladung und die Feldnummer angeben.

Schritt 6. Am Tagesende müssen alle ausgehändigten Ladescheine in die Buchhaltung zum Abgleich und Eintragung der Daten in das System übergeben werden. Auch wenn man aus den Ladescheinen die tatsächlichen Massen nicht ableiten kann, gelten sie als eine wertvolle Informationsquelle deren Analyse auf potenzielle Unstimmigkeiten und eventuell auch Missbräuche hinweisen können.

Was muss beachtet werden?

Zur Vereinfachung der Analyse müssen alle Ladescheine im System erfasst werden. Jede für Buchführung in der Landwirtschaft geeignete Buchhaltungssoftware bietet dies an. Es muss unbedingt überprüft werden, ob die Angaben hinsichtlich der verladenen Tanks in den Ladescheinen der LKW-Fahrer mit denen aus den Ladescheinen der Mähdrescherfahrer übereinstimmen.

Man muss eine Analyse der Arbeit jedes Fahrers erstellen:

  •  wie viele Tanks wurden befördert — die Angaben müssen mit denen von anderen Fahrern vergleichbar sein. Darüber hinaus wäre es zu empfehlen, die tatsächliche Menge der beförderten Tonnen mit den Wiege-Büchern zu vergleichen und ungefähr zu errechnen, wie viel Tonnen im Durchschnitt ein Tank beinhaltet. Ein Vergleich mit den vorigen Saisons und der Branche insgesamt hilft zu verstehen, inwieweit die Informationen korrekt sind;
  • wie viele Fahrten wurden gemacht (vom Feld bis zur Tenne / zum Silo): Vergleichen Sie die Daten von verschiedenen Fahrern und stellen die Gründe von signifikanten Abweichungen fest. Durch eine zusätzliche Analyse der Ankunftszeit am Wiegeplatz mit der Uhrzeit der Abfahrt vom Feld (als Nullpunkt kann die im letzten Mähdrescherfahrer-Ladeschein vermerkte Uhrzeit je Verladung angenommen werden) kann man verstehen, ob der jeweilige LKW nicht zu lange unterwegs war und wo die Ursachen von Abweichungen zwischen den Fahrern/Verladungen liegen.

Bereits an dieser Anfangsstufe lassen sich Schwachstellen im Prozess der Ernteorganisation identifizieren. Und zwar, wie effektiv die Zeit und die Ressourcen verwendet werden, ob Ausfälle und Standzeiten gegeben sind und ggf. Gründe dafür. Denn kein Prozess ist perfekt, weshalb in der Praxis etwaige notwendige Korrekturen in jeden theoretisch festgelegten Handlungsplan aufzunehmen sind.

Es kann vorkommen, dass die Mähdrescher-Anzahl nicht der Anzahl der herangezogenen LKWs entspricht. Oder der Silo bzw. die Tenne aus technischen Gründen oder wegen Platzmangel nicht imstande ist, so eine LKW-/Getreidemenge pro Tag anzunehmen, was in Warteschlangen und Standzeiten resultiert. Diese Probleme müssen so schnell wie möglich identifiziert und entsprechende Lösungen gefunden werden, weil das nicht nur durch eine nicht effektive Ressourcenverwendung verlorenes Geld bedeutet, sondern auch Verzögerungen bei der Ernte.

Die zum Wiegeplatz gebrachte Ernte wird gewogen, wobei das Bruttogewicht, Verpackungsgewicht und das „Norm“-Gewicht nach der Duval’schen Formel festgestellt werden. Die Aufgabe des Wiegemeisters ist es, diese Daten sowie Informationen in Bezug auf den LKW und den Fahrer, die Ankunftszeit am Wiegeplatz und Angaben aus den Ladescheinen des Mähdrescherfahrers, die der Fahrer dem Wiegemeister abgeben soll, in entsprechenden Registerbüchern zu dokumentieren: Registerbuch für die Getreideübernahme vom Fahrer; Auszüge aus dem Registerbuch für die Getreidemenge pro geerntete Fläche; Registerbücher über die Übernahme des Getreides durch den Wiegemeister; Aufstellung der Bewegung des Getreides und anderer Produkte vom Feld.

Gleichzeitig stellt der Wiegemeister einen Frachtbrief für innerbetriebliche Beförderung aus. Dieser dient der Erfassung der Getreidebewegung auf der Tenne / im Silo. Der Fahrer hat seine Unterschrift im/in entsprechenden Registerbuch/Büchern zu leiten. Damit bestätigt er die Getreideübergabe. Die Daten dieser Registerbücher werden vom Erfasser zur Ausfüllung von Fahrtenblättern für Mähdrescherfahrer und vom Fahrer zur Führung eigener Fahrtenblätter verwendet.

Die entsprechenden Registerbücher werden in die Buchhaltung zu Vergleichszwecken weitergeleitet und dienen für den Analytiker als synthetische Daten über die pro Tag übernommene Getreidemenge, geerntete Fläche sowie als zusätzliche Informationsquellen für den Vergleich mit den Tauschscheinen des LKW- und Mähdrescherfahrers.

Je mehr Information automatisch in die Registerbücher gelangt, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit von Fehlern und Missbräuchen. Der Automatisierungsgrad von Prozessen der Datenerfassung, Datensynthese und Datenübertragung kann bei verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben auch sehr verschieden ausfallen, denn in kleineren Landwirtschaftsbetrieben können alle Tätigkeiten per Hand dokumentiert werden, größere Betriebe nutzen dazu diverse automatische Überwachungsmittel.

So werden z.B. Waagen ziemlich oft mit bestimmten Überwachungssensoren und Software ausgestattet, die das Gewicht und/oder die Fahrer- und LKW-bezogenen Daten automatisch (durch Eingabe bestimmter Karten und Lesegeräte) dokumentieren können. Die Software auf dem Wiegeplatz kann mit dem Buchhaltungsprogramm und/oder der Software am Silo synchronisiert werden, wodurch relevante Daten automatisch geladen werden können usw.

Jeder Betrieb bestimmt selbst, welcher Automatisierungsgrad für ihn zweckmäßig ist. Deshalb wirkt sich auch der menschliche Faktor auf die Prozesse der Getreidebewegung in verschiedenem Ausmaß aus.

Die Erfassungsregister sind in jedem Fall die Informationen, die einem Analytiker zahlreiche Möglichkeiten zur Analyse anbieten. Wie viele Flächen wurden anteilig geerntet? Wie stimmt das mit dem Plan überein? Wie ist der aktuelle Ertrag? Wurde eine Ertragsschätzung vor dem Erntebeginn (z.B. durch externe Experten im Rahmen der Verpfändung als Kreditsicherheit) durchgeführt, wie stark weicht der Soll-Ertrag vom Ist-Ertrag ab? Wo liegt der Grund der wichtigsten Ernteeinbußen? Welche Trends sind zu verzeichnen?

Damit das Management bewerten kann, wie effizient die Erntekampagne lief und welche Wege es gibt, die Abläufe zu optimieren, muss auch eine andere — in die Berichte und graphische Darstellungen integrierte —Menge der analytischen Daten als signifikant wichtig angesehen werden.

Bevor jeder LKW auf dem Wiegeplatz gewogen wird, führt das Labor (falls vorhanden) eine Expressanalyse des Getreides durch, woraufhin entsprechende Werte im Frachtbrief für innerbetriebliche Beförderung dokumentiert werden. Der Fahrer bekommt den Frachtbrief und, nachdem er in die Tenne eingefahren ist, übergibt diesen dem Tennenleiter, um den Entladeplatz zugewiesen zu bekommen. Im Laufe der Getreidereinigung und Trocknung kontrolliert das Labor qualitative Kennwerte, damit bestimmte vorgegebene Feuchtigkeits- und Besatzwerte eingehalten werden. Alle Analysen werden in Analysekarten dokumentiert.

In einem Betrieb mit zertifiziertem Getreidespeicher ist unbedingt das Formblatt 36 zu führen, auf dessen Basis das Getreide als Einnahmeposten gebucht wird. Dieses Formblatt beinhaltet nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Kennwerte des Getreides und dient als Instrument der besonderen Kontrolle.

Nach der Auffassung des Leiters besteht das Hauptrisiko auf dieser Stufe darin, ob die Feststellung qualitativer Kennwerte des Getreides vom Feld korrekt ist: Überhöhte Feuchtigkeits- und Besatzwerte im Getreidespeicher können durch eine größere Menge abgeschriebener unbrauchbarer Abfälle realisiert werden, d.h. das „Norm“-Gewicht nach der Duval’schen Formel wird zu niedrig angesetzt. Dieses Problem kommt oft bei Benutzung externer Getreidespeicher vor, wenn zu niedrige Laborwerte angegeben werden, damit das „Norm“-Gewicht nach der Duval’schen Formel niedriger ist.

Sollte man jedoch Zweifel an den durch das Labor ermittelten Werten haben (wenn z.B. Werte des von einem einzigen Feld geernteten, jedoch auf verschiedene Getreidespeicher gekommenen Getreides sehr unterschiedlich sind), sollte man externe Experte heranziehen, um die Sache aufzuklären.

Während des Absatzvorgangs sind Verluste bei der Be- und Umladung zu kontrollieren, wo mit Rücksicht auf die Spezifik des Produktes Verluste üblich sind. Dabei müssen sie jedoch bestimmten, durch staatliche Regelwerke festgelegten, bzw. falls solche Regelwerke fehlen, in internen Unterlagen des Betriebes vermerkten Normen entsprechen.

Daher können Primärbelege und Registerbücher — deren richtige Verwendung und Analyse vorausgesetzt — zu einem wichtigen Element im Prozess der Getreidebewegungskontrolle im Betrieb werden. Allerdings nicht mehr als ein Element (welches in einigen Aspekten auch vollwertig und eigenständig sein kann), größtenteils sind sie als ergänzende Informationen zur vorhandenen physischen Kontrolle zu betrachten.

Auch wenn man Fehler und Missbräuche wohl kaum zu 100 % ausschließen kann, so hilft eine intensive Anwendung der erfassten Information in Verbindung mit der Einführung physischer Kontrollen (automatisierte bzw. physische Kontrolle durch das Wachpersonal oder externe Experten) nicht nur, den Betrieb vor bedeutenden materiellen Verluste zu schützen, sondern auch Informationen bezüglich seiner Effektivität zu erhalten.