Landwirtschaft in der Ukraine – ein riskantes Unterfangen oder eine in Betracht zu ziehende Investitionsmöglichkeit?

Die Ukraine ist als bedeutendes Agrarland hinlänglich bekannt, was zahlreiche international tätige Agrarunternehmen aber auch Privatunternehmer veranlasst hat hier zu investieren.

Alleine aus Deutschland haben 50 deutsche Landwirte in verschiedenen Regionen Betriebe erworben und ausgebaut, wobei sich diese aufgrund der Niederschlagsverhältnisse und Bodenqualitäten vornehmlich in der Zentral- oder West-Ukraine angesiedelt haben.

Damit stellt sich die Frage, inwieweit diese Investitionen erfolgreich sind, wobei es hierbei sowohl positive als auch negative Beispiele gibt: Als der entscheidende Faktor lässt sich festhalten, dass die Engagements immer dann erfolgreich sind, wenn eine dauerhafte Präsenz vor Ort gepaart mit entsprechender Praxiserfahrung gewährleistet sind. D.h. eine Steuerung ukrainischer Engagements aus der Ferne funktioniert meist nicht. Wenn dann auch noch beim Investor keine fachliche Kompetenz vorhanden war, so ist dies fast immer schief gegangen.

Präsenz vor Ort wird oft durch aus Deutschland stammende Agronomen als Angestellte vor Ort dargestellt, wobei es sich dabei um vertrauenswürdige Personen mit Geschäftsführungskompetenz handeln muss.

Mittlerweile gibt es durch die Ausbildungsaktivitäten der großen Agrarholdings zwar durchaus gut qualifizierte ukrainische Agronomen mit Praxiserfahrung, aufgrund der unterschiedlichen Mentalität ist jedoch eine Betriebsführung durch Vertreter der Investoren selbst oder zumindest durch westeuropäische vertrauenswürdige Agronomen in den ersten Jahren ein Muss.

Ein weiterer Fallstrick sind die Pachtverträge. Da in der Ukraine bis dato keine Agrarflächen erworben werden können, werden die Flächen von den Betrieben gepachtet. Auch wenn stellenweise noch Flächen brach liegen, so ist eine Suche von noch nicht bewirtschafteten oder neu zu verpachtenden zusammen liegenden Flächen sehr mühsam, weswegen der übliche Weg über den Erwerb eines bestehenden Betriebes geht, welcher bereits über bestehende Pachtverträge verfügt. Bei einem solchen Betriebserwerb sind dann neben der agrartechnischen und finanziellen Prüfung der Betriebe insbesondere die Pachtverträge und deren Eintrag ins staatliche Register genauestens zu prüfen.

Die Prüfung der Pachtverträge alleine reicht hier nicht aus, denn solange diese nicht im Zentralregister eingetragen sind, sind diese schwebend unwirksam, wodurch schon mancher sein blaues Wunder erlebt hat.

Die Agrarflächen wurden Anfang der 90er Jahre weitestgehend durch Verteilung auf die Kolchosmitarbeiter privatisiert, welche diese dann entweder selbst bewirtschaften oder eben verpachten. In Staatseigentum befinden sich dagegen noch ca. 10% der gesamten Agrarfläche.

Die Pachtzinsen werden üblicherweise im Pachtvertrag in Prozent eines inflationsindizierten Einheitswertes bemessen. Der Pachtzins ist in den letzten Jahren in Lokalwährung zwar stärker als die Inflation gestiegen, in Euro betrachtet im Vergleich zu deutschen Verhältnissen aber immer noch gering, was auch auf die in den letzten beiden Jahren stattgefundene starke Abwertung der Lokalwährung zurückzuführen ist. Je nach Region sind derzeit pro Jahr 30-60 € je ha als Pacht zu zahlen.

Bei der Bestimmung des Gesamtkaufpreises eines Betriebes werden die Pachtverträge je nach Laufzeit mit derzeit 250-500 USD je Hektar bewertet, was als eine Art Ablösesumme betrachtet werden kann, wobei sich das Pachtverhältnis zwischen Verpächter und dem erworbenen Betrieb nicht ändert. Die durchschnittliche Grundstückgröße beträgt 3-4 ha, so dass ein Betrieb von z.B. 1000 ha mit 250-300 Verpächtern zu tun hat. Dass die Pacht häufig immer noch mit Weizen oder anderen Ernteerträgen bezahlt wird, erhöht den Zeitaufwand für die Pachtabwicklung nicht unerheblich.

Die Ernteerträge sind in der Ukraine wie auch den anderen ehemaligen Sowjet-Staaten aufgrund des geringen Investitionsvolumens selbst heute, 25 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion immer noch vergleichsweise gering. So lag der Durchschnittsertrag in der Ukraine beim Winterweizen bei 43,7dz pro Hektar.

Zwar haben moderne landwirtschaftliche Betriebe ihre durchschnittlichen Erträge in den letzten Jahren bereits signifikant verbessern können, ein Großteil der Betriebe erwirtschaften jedoch kaum mehr als 30-35dz pro Hektar.

Wie zahlreiche erfolgreiche Beispiele zeigen können in der Ukraine grundsätzlich dieselben Ernteerträge wie in Westeuropa erzielt werden, wobei die klimatischen Bedingungen jedoch höhere Risiken beinhalten, was bedeutet, dass die Leistungsfähigkeit im 5-Jahresmittel auf ca. 80 % des Niveaus von Westeuropa eingeschätzt wird.

Da durch die zunehmenden Investitionen in Zukunft höhere Erträge erzielt werden und auch mehr Land kultiviert wird, schätzen Experten, dass sich die Produktion bis zum Jahr 2020 von derzeit 63 Millionen Tonnen auf 80 Millionen Tonnen pro Jahr steigern ließe, wobei dies sicherlich eine recht optimistische Schätzung darstellt. Dennoch, zieht man das zu erwartende Ertragswachstum in anderen Ländern mit in Betracht, kann dies zu 20 % des Weltexports führen, was bedeutet, dass die Ukraine theoretisch zur Nr. 1 der Weltexporteure von Getreide werden könnte. Bei der Produktion von Sonnenblumensamen ist die Ukraine bereits die Nr. 1 mit ungefähr 20 % der Weltproduktion.

Insgesamt verfügt die Ukraine über 43 Millionen ha Fläche, welche für die Landwirtschaft verwendet werden könnten, was 71 % der Gesamtfläche der Ukraine entspricht.

32 Millionen ha werden momentan landwirtschaftlich genutzt (in Deutschland 12 Millionen ha). Von diesen 32 Millionen ha werden 24 Millionen verpachtet, wobei ca. 5 Millionen ha von den 30 größten landwirtschaftlichen Holdings gepachtet werden, hier sind Firmengrößen von bis zu 300.000 ha vorhanden. In der öffentlichen Diskussion häufig vernachlässigt werden dabei die für ukrainische Verhältnisse kleinen und mittelgroßen Betriebe. So bewirtschaften alleine in der Größenordnung von 1000-3000 ha ca. 2000 Betriebe 6 Mio. Hektar, und hier liegt ein erhebliches Potential für ausländische Agrarinvestitionen.

Grundsätzlich hohe Profitabilität

Aufgrund großflächiger Betriebe und der relativ geringen Produktionskosten im Vergleich zu Westeuropa sind ukrainische Betriebe mit einer Größe von mehr als 1.000 ha oft sehr profitabel – und dies ohne jegliche Subvention vom Staat.

Die geringen Produktionskosten rühren neben dem lohnenden Einsatz von großen Maschinen auch von den erwähnten geringen Pachtzinsen und den geringen Arbeitskosten, welche weniger als 10 % des westeuropäischen Niveaus betragen.

Eine Umsatzrendite von 20-30 % wird bereits jetzt von zahlreichen Betrieben realisiert. Die Steuerbefreiung, welche das ukrainische Steuergesetz landwirtschaftlichen Betrieben einräumt, setzt hier weitere bedeutende Anreize.

Hürden für ukrainische landwirtschaftliche Betriebe

Neben den bereits erwähnten Fallstricken stellt das Hauptproblem für landwirtschaftliche Betriebe in der Ukraine der schwierige Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten dar. Dies ist hauptsächlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass bis dato landwirtschaftliche Flächen nicht veräußert werden können, was bedeutet, dass landwirtschaftliche Flächen nicht als Sicherheit für Kredite dienen können. Dies verhindert langfristige Investitionen in die Ackerflächen selbst – zum Beispiel Investitionen in Bewässerungssysteme.

Abgesehen von der mangelnden Besicherungsmöglichkeit sind die Zinsraten für Kredite bei ukrainischer Banken recht hoch: Sie betragen für Kredite in Fremdwährung 7-10 % p.a. und bei Krediten in Landeswährung gar 22-25 %. Darüber hinaus ist Unternehmen ohne Einkommen in Fremdwährung (z.B. durch Export) der Zugang zu Fremdwährungskrediten bei lokalen Banken weitestgehend versagt.

Fazit

Insgesamt lässt sich festhalten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Ukraine aufgrund der weltweit wachsenden Nachfrage an Nahrungsmitteln und den neuesten Entwicklungen in der ukrainischen Landwirtschaft selbst unweigerlich zu einem der wichtigsten Spieler in diesem Markt wird. Für diese Entwicklung ist die derzeitige politische Lage sicherlich nicht förderlich, dennoch wird auch dies diese Entwicklung nicht aufhalten.